Erbschaftsteuer: DIW-Studie kalkuliert Reformvorschlag bei Firmenprivilegien
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer präsentiert das Deutsche Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) einen Reformvorschlag. Danach würden Steuervergünstigungen in der Höhe begrenzt und Steuerzahlungen über längere Zeiträume gestreckt werden. Die Erbschaftsteuereinnahmen könnten sich so von derzeit 5 auf bis zu 13 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen.
Erbschaftsteuer: DIW-Studie kalkuliert Reformvorschlag bei Firmenprivilegien
Berlin, 11.02.2015 (diw) - Nachdem das Bundesverfassungsgericht weitreichende Vergünstigungen bei der Erbschaftsteuer auf Unternehmensvermögen im Dezember 2014 als teilweise verfassungswidrig eingestuft hat, schlägt eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vor, die Erben von Unternehmensvermögen steuerlich deutlich weniger zu begünstigen. Es ist fraglich, ob für den Erhalt von Arbeitsplätzen derart weitgehende Verschonungsregelungen bei größeren Unternehmen erforderlich sind, sagt der Autor der Studie, DIW-Steuerexperte Stefan Bach.
Der Gesetzgeber solle Steuervergünstigungen in der Höhe begrenzen und auf das betriebsnotwendige Vermögen beschränken. Im Gegenzug sollten die Steuerzahlungen auf Unternehmensübertragungen über längere Zeiträume gestreckt werden, damit die Unternehmensnachfolger sie aus dem laufenden Ertrag abzahlen können. Die Forderungen des Finanzamts ließen sich auch an den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens knüpfen oder anderen Verbindlichkeiten nachordnen. Durch die Neuregelung könnten die Einnahmen des Fiskus bei der Erbschaftsteuer nach Berechnungen des DIW Berlin von derzeit fünf Milliarden Euro mittelfristig auf bis zu 13 Milliarden Euro pro Jahr steigen, wenn die geltenden Steuersätze beibehalten werden. Den Berechnungen zugrunde liegen Schätzungen jährlicher Unternehmensvermögensübertragungen in Höhe von 25 bis 30 Milliarden Euro.
Bestehende Steuervergünstigungen werden immer häufiger genutzt
Die Nutzung von Steuervergünstigungen für Übertragungen von Unternehmensvermögen ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Laut Erbschaftsteuerstatistik wurden in den Jahren 2009 bis 2013 bei Vermögensübertragungen von insgesamt 278 Milliarden Euro Unternehmensvermögen in Höhe von 105 Milliarden Euro steuerfrei übertragen, 90 Milliarden Euro davon als Schenkungen. Die damit verbundenen Steuerausfälle dürften sich für diesen Zeitraum auf 25 bis 30 Milliarden Euro belaufen. Das DIW Berlin geht auf Basis von Schätzungen zur Vermögensverteilung davon aus, dass in den kommenden Jahren Unternehmensvermögen in Höhe von jährlich 25 bis 30 Milliarden Euro übertragen werden. Da diese nach den derzeitigen Regelungen weitgehend steuerfrei übertragen werden können, ginge dies bei den gegenwärtigen Steuersätzen mit Steuerausfällen von sieben bis acht Milliarden Euro pro Jahr einher.
Vor allem sehr hohe Übertragungen, die weitgehend aus Unternehmensvermögen bestehen, profitieren von den Firmenprivilegien. Im Jahr 2012 wurden bei den Fällen mit Erbschaften oder Schenkungen von über 20 Millionen Euro insgesamt 33 Milliarden Euro übertragen, die zu 95 Prozent steuerbefreit waren. Derartig weitgehende Vergünstigungen sind jedoch bei millionenfachen Unternehmensvermögen im Gegensatz zu Kleinunternehmen oder kleinen mittelständischen Firmen nicht erforderlich, um die Arbeitsplätze bei der Unternehmensnachfolge zu sichern.
Steuerforderungen ließen sich stunden und an den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens koppeln
Die DIW-Studie schlägt daher vor, die Freibeträge oder Verschonungsabschläge bei der Erbschaftsteuer in der Höhe zu begrenzen, etwa auf ein bis zwei Millionen Euro. Ferner sollten sie auf das betriebsnotwendige Vermögen beschränkt und mit sonstigen übertragenen Vermögen oder auch mit eigenem Vermögen des Begünstigten verrechnet werden. Steuerbedingte Liquiditäts- und Finanzierungsbelastungen, die auch größere Unternehmensvermögen belasten, könnten durch erweiterte Stundungsregelungen entscheidend gemildert werden. Diese sollten anders als bisher ohne besondere Voraussetzungen gewährt werden. Dann können die Unternehmensnachfolger die Steuer aus dem laufenden Ertrag des Unternehmens abzahlen. Zudem ließe sich die Krisenfestigkeit der Firmen erhöhen, indem die Steuerforderung an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens geknüpft wird. So könnten mittelständische und große Unternehmen in Familienbesitz bleiben, gleichzeitig aber unverhältnismäßige Steuervorteile vermieden werden, sagt Bach. Außerdem können dann komplizierte und intransparente Bedürftigkeitsprüfungen vermieden werden, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei Weitergeltung der bisherigen Steuervergünstigungen für große Unternehmen erforderlich würden.
Neben der Begrenzung von Firmenprivilegien ist die Abschaffung weiterer Vergünstigungen denkbar, etwa der Steuerfreistellung des Familienheims oder der Steuerbefreiungen von Spenden. Im Gegenzug könnten die persönlichen Freibeträge bei der Erbschaftsteuer erhöht werden, die gegenwärtig bei Ehe- oder Lebenspartnern 500.000 Euro und bei Kindern 400.000 Euro betragen. Der DIW-Steuerexperte Bach spricht sich zudem dafür aus, das Erbschaftsteueraufkommen im Zuge der anstehenden Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf den Bund zu übertragen und die Länder bei anderen Steuereinnahmen zu kompensieren. Weil die Erbschaftsteuer vor allem in den Stadtstaaten und wohlhabenden Regionen Westdeutschlands anfällt, wird sie durch den Finanzausgleich stark umverteilt. Daher sind die Anreize für wohlhabende Länder gering, Erbschaftsteuerreformen, die hohe Vermögen stärker belasten, zuzustimmen.
Download DIW Wochenbericht 7/2015 [PDF, 36 Seiten - 719 KB]
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